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Essai 200: Über die Laschet-Masche oder wie sage ich alles und nichts gleichzeitig?

16. Mai 2021

Es ist Wahlkampf und die deutsche Politik dreht am Rad. Die Union, noch immer ohne Programm, denkt sich einen Blödsinn nach dem nächsten aus, um eimerweise Mist über die Grünen auszukübeln. Anscheinend findet die CDU/CSU nichts, was sie den Grünen inhaltlich ankreiden und ihnen sachlich entgegensetzen kann. Peinlich ist das. Nun gut, aber ein Mann, der Nachfahre von Karl dem Großen höchstselbst, macht da nicht mit und präsentiert einfach überhaupt keine Inhalte: Armin Laschet.

Das Faszinierende aber ist, dass Armin Laschet zwar überhaupt nichts mit Substanz sagt, zu nichts Stellung bezieht und keine Haltung zu irgendwas zeigt – ohne dass das auf Anhieb auffällt. Ihm gelingt das Kunststück, gleichzeitig alles und nichts zu sagen. Er ist ein Virtuose des Vagen, ein Meister des Um-den-heißen-Brei-Herumeierns, sodass alle genau das in sein Geplapper hineininterpretieren können, was sie wollen.

Wie schafft dieser Mann das bloß, dass seine Belanglosigkeiten nicht sofort als solche auffliegen? Eine Analyse:

1. Bedeutungsschwangerer Tonfall

Armin Laschet spricht und betont stets auf eine Weise, die das Gesagte bedeutungsvoll erscheinen lässt. Er setzt Pausen, vermeidet „Ähs“ weitestgehend, betont einzelne Wörter … das macht er schon ziemlich gut, soviel muss ich ihm lassen. Dadurch klingt alles, was er sagt, wie eine grandiose Erkenntnis, die superwichtig ist, und die ihm, Armin, eingefallen ist. Ob er nun sagt: „Kräht der HAHN auf dem MIST … ändert sich das WETTER oder BLEIBT … wie es IST“ oder „Auf REGEN … folgt SONNENSCHEIN. Oder … auch NICHT“ oder „Deswegen brauchen wir JETZT einen BRÜCKEN-Lock-down. Also als BRÜCKE bis genug geimpft sind … so lange müssen WIR ALLE noch ein BISSCHEN durchhalten“ -> Das macht überhaupt keinen Unterschied. Inhaltlich ist das alles ziemlich substanzlos, aber durch den bedeutungsschwangeren Tonfall klingt es total erhaben und staatstragend.

2. Ruhe bewahren

Ein Armin Laschet lässt sich so schnell durch nichts aus der Ruhe bringen. Ob das dubiose Maskendeals sind, in die er wie viele seiner Parteikolleg*innen verwickelt zu sein scheint, ein polternder – und deutlich beliebterer – Mitbewerber um die Kanzlerkandidatur, Kritik von Bürger*innen, kritische Nachfragen in Talkshows oder von Pressemenschen oder ein Friedrich Merz, der mit seinem Geltungsbedürfnis so ziemlich allen auf die Nerven geht, ist – Armin Laschet bleibt gelassen. Zumindest vermittelt er den Eindruck, und das ist ja das, was zählt. Er schafft es irgendwie immer, sich aus allem herauszureden, und dank bedeutungsschwangerem Tonfall hört sich das auch zunächst halbwegs plausibel an, auch wenn es herumgeeiert war.

3. Putziges Erscheinungsbild

Mal ganz ehrlich: Kann man Armin Laschet wirklich böse sein? Wenn er einen so treu anguckt, mit seinen Knopfäuglein, und dann noch die roten Bäckchen und das Knubbelnäschen? Und dann strahlt er auch immer so, wenn er wieder etwas völlig Banales sagt! Da möchte man ihn doch am liebsten knuddeln, oder? Nein, Spaß, aber sein putziges Erscheinungsbild trägt meines Erachtens definitiv dazu bei, dass man ihm abkauft, ihm ginge es um das Wohl seiner Mitmenschen und als würde er irgendwas total Weises sagen – obwohl er in Wirklichkeit nur hohle Phrasen drischt.

4. Cleveres Taktieren im Hintergrund

Laschet selbst vermeidet es zwar konsequent, zur irgendetwas klar Stellung zu beziehen, aber das muss er auch gar nicht. Denn er kann sich einfach einen Friedrich Merz ins Team holen, der nun wirklich gar kein Problem damit hat, zu irgendetwas Stellung zu beziehen, auch wenn er vom Thema überhaupt keine Ahnung hat, wie zum Beispiel von gendergerechter Sprache. Wie er es geschafft hat, Markus Söder auszubooten, obwohl er die schlechteren Umfragewerte hatte, werden wir Bürger*innen wohl nie erfahren. Aber es ist ihm gelungen. An den Argumenten kann es nicht gelegen haben, ich denke auch nicht, dass ein Mann-gegen-Mann-Schlammcatch-Wettkampf mit ihm als Sieger ausgegangen wäre. Einzige Erklärung, die mir plausibel erscheint: Armin Laschet hat so clever intrigiert – äh, taktiert -, dass es wie eine gute Idee wirkte, ihn als Kanzlerkandidaten aufzustellen.


Soweit erst einmal meine Analyse. Was fällt euch denn noch ein, weshalb nicht allen Menschen sofort auffällt, dass Armin Laschet nichts zu sagen hat? Schreibt es mir in die Kommentare, ich bin gespannt. 🙂

Essai 199: Über den Scheuer-Effekt

26. März 2021

Ganz Deutschland fragt sich: Warum ist A*** Scheuer eigentlich noch im Amt? Ganz Deutschland? Nein. A*** Scheuer fragt sich das nicht. Der scheint sich nach wie vor großartig zu finden – und das Merkwürdige ist: Viele seiner Parteikolleginnen und -kollegen scheinen seine Selbsteinschätzung zu teilen. Oder warum wurde er nicht schon längst gefeuert? Es ist ja geradezu faszinierend, wie viel Mist eine einzelne Person bauen, wie viel Steuergelder ein einzelner Minister in den Wind pupsen kann, ohne dass irgendwelche Konsequenzen drohen. Und noch faszinierender finde ich, wie man sich dafür nicht ansatzweise schämen kann, wenigstens ein klitzekleines bisschen. Gut, zu seiner Verteidigung, er ist ja nicht der Einzige, der trotz offenkundiger Inkompetenz und eklatanter Fehlbesetzung an seinem Platz klebt und sich kein bisschen peinlich findet.

Das hat doch eine kleine küchentischpsychologische Analyse verdient, bin ich der Meinung. Also: Was hat es mit dem Scheuer-Effekt auf sich? Wie schafft man es, trotz umfassender Unfähigkeit Karriere zu machen, nicht entlassen zu werden, obwohl man ständig Bockmist verzapft – und dann auch noch weiter Verantwortung übertragen zu bekommen?

Eine Sache vorweg: Ich weiß es nicht. Das heißt, ich rate, spekuliere, vermute und behaupte gleich fröhlich ins Blaue hinein. Aber wenn ein Scheuer null Konstruktives abliefern kann und dafür auch noch belohnt wird, dann darf ich das auch. Also, behaupte ich jetzt einfach mal.

Ein paar überzeugende Theorien hat das „browser ballett“ bereits zusammengestellt:

„Warum ist Scheuer noch im Amt?“ vom browser ballett

Ich denke, die „Schwarzes Schaf“-Theorie klingt plausibel. Neben Scheuer sehen einfach alle anderen weniger inkompetent aus – also kompetetenter, als sie sind. Und wäre er nicht mehr da, fiele auf, dass die anderen auch nichts auf die Kette kriegen und völlig überbezahlt sind. Träte Scheuer zurück, müssten die anderen sich an seiner statt die Frage stellen lassen, warum sie denn noch im Amt seien. Das möchte niemand riskieren – verständlicherweise.

Vielleicht spielt auch eine Art kognitive Dissonanz eine Rolle? Irgendjemand muss den Kerl doch überhaupt erst ins Amt des Verkehrsministers gebracht haben? Und der will sich bestimmt auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, was ihn denn dabei geritten habe, und deswegen rechtfertigt dieser Mensch seine Entscheidung vor sich selbst damit, dass der Scheuer ja gar nicht sooo unfähig wäre, dass er ja auch schon viel geleistet hätte, hier … zum Beispiel … Dingens, ihr wisst schon. Eine ähnliche kognitive Dissonanz dürfte auch diejenigen umtreiben, die den Kerl immer noch nicht gefeuert haben. Im Ernst jetzt, warum nicht? In jedem beliebigem Unternehmen wäre der doch schon zig-mal achtkantig und fristlos rausgeflogen? Das regt mich ja schon wieder auf! *grummelbrummelschimpfmotzknurrzeter* Atme, Isa, atme, denk an deinen Blutdruck … Pfiuuuuuuhhhh …. OK, geht wieder.

Noch eine Theorie: Scheuer hat zu Beginn alle mit seinem völlig ungerechtfertigtem Selbstvertrauen und seinem selbstsicherem Auftreten darüber hinweg geblendet, dass seine Arroganz auf überhaupt keinem stabilen Fundament basiert. Sein substanzloses Herumgeschwadroniere, sein inhaltsleeres Geschwafel und seine nichtssagenden, rhetorischen Muskelspiele konnten die anderen lange genug täuschen, sodass sie tatsächlich glauben, er könnte irgendwas. Man müsste ihm nur noch mehr Chancen geben und Geduld haben, dann kann er zeigen, was WIRKLICH in ihm steckt. Das würde erklären, warum er jetzt mit Spahn zusammen die Test-Taskforce leitet (nebenbei bemerkt, meine Einschätzung dazu: Wir sind alle verloren.) – er hat zwar bislang stets auf ganzer Linie versagt, aber dieses Mal bekommt er das sicher hin! Man muss nur ganz fest daran glauben!

Was auch sein kann: Scheuer ist eigentlich ein psychologisches Experiment. Verrückte Wissenschaftler, zwischen Genie und Wahnsinn schwankend, wollten ausprobieren, wie weit die dummdreiste Arroganz der Ahnungslosen, besser bekannt als Dunning-Kruger-Effekt, sich in einer einzelnen Person steigern lässt, ohne dass ihr Gehirn implodiert. Die Antwort ist: sehr. Das Ergebnis ist Scheuer.

Nicht auszuschließen ist, dass Scheuer insgeheim doch etwas kann, nämlich Showhypnose. Er hat einfach alle in Trance versetzt und ihnen mantraartig eingeredet: „Scheuer ist der beste Verkehrsminister der Welt!“ Ja, und jetzt glauben das alle und Scheuer weiß nicht, wie er das wieder rückgängig machen kann und nun haben wir alle den Salat.

Möglicherweise schuldet aber irgendwer noch Scheuers Familie einen Gefallen. Und dann war der Gedanke, als Verkehrsminister kann er ja eigentlich nicht so viel falsch machen, unfähiger als sein Vorgänger kann man gar nicht sein, das wird schon. Tja, und jetzt wird man ihn nicht mehr los. Oder es ist eine Wette am Laufen, die CSU hat mit der CDU gewettet, wer den nächsten Bundeskanzler stellt, und die CSU will unbedingt gewinnen, deswegen haben sie ihren besten Mann (Höhö, Scherz) eingesetzt, um die Nerven der CDU so zu zermürben, dass die jemanden wie Laschet als Vorsitzenden wählen und daneben kann sich dann Söder stellen und einfach das Gegenteil von dem machen, was Laschet macht, und wirkt damit super-staatstragend.

Soweit meine Vermutungen. Was meint ihr? Was klingt plausibel, was ist eindeutig Quatsch? Was ist eure Erklärung für die Frage: Warum ist Scheuer noch im Amt?

Schreibt es mir in die Kommentare, ich bin gespannt. 🙂

Essai 184: Über Sachen und Dinge

7. Februar 2019

Wer kennt es nicht: Da will man einen superschlauen Text schreiben, der nach mächtig viel Inhalt klingt, hat aber gar nichts zu sagen. Doof. Aber das muss nicht sein! Wenn man sich nämlich einfach total vage hält, merkt überhaupt niemand, dass man eigentlich nichts Substanzielles zu Irgendwas beizutragen hat. Praktisch.

Angenommen, zum Beispiel, ich bin Politikerin und möchte, dass alles so bleibt wie es ist, aber trotzdem den Eindruck erwecken, ich sei Neuerungen gegenüber offen. Ich will weder meine konservative Wählerschaft verprellen noch den diffus Unzufriedenen auf den Schlips treten. Eine ziemlich knifflige Aufgabe. Doch nicht unmöglich.

Ich überlege dann einfach, wie ich möglichst interpretationsoffene Vokabeln zu einem halbwegs grammatikalisch richtigen Satz zusammenwürfeln kann. Dann bastele ich mir aus Dingen, Sachen und so Zeug irgendein Gedöns zurecht – und überlasse dem Rezipienten, was er da hineindeuten möchte.

„Sachen machen mit Dingen“ wäre zum Beispiel ein hübscher Slogan. Das klingt dann auch noch aktiv, klasse! Mit Sachen und Dingen alleine stößt man allerdings irgendwann an seine Grenzen. „Dinge bringen mit Sachen“ könnte man noch schreiben – aber früher oder später fällt auf, dass das nur heiße Luft und nichts dahinter ist. Und das will man ja vermeiden.

Also ergänzt man die Sachen und Dinge am besten noch mit ein paar Allgemeinplätzen, die sich gewichtig anhören. Sowas wie „Zeit“, „Liebe“, „Welt“, „Leben“, „Land“, „gut“ … wenn ich darüber nachdenke, man kann sich eigentlich ganz bequem aus dem Repertoire deutscher Popmusik bedienen.

„Weil Zeit für Dinge wichtig ist“. Dem wird beispielsweise wohl niemand widersprechen. Und dass es sich dabei um einen Nebensatz ohne vorangegangenen Hauptsatz handelt, deutet an, dass es einen solchen Hauptsatz überhaupt gibt. Dass er aber so selbstverständlich ist, dass man ihn nicht hinzuschreiben braucht. Das suggeriert ein unausgesprochenes Einverständnis. Und man muss sich dafür noch nicht einmal irgendetwas Tiefsinniges aus den Fingern saugen.

„Für ein Land, in dem wir gut und gerne leben“ wäre auch eine Idee … ach so, Moment. Das kommt mir bekannt vor. Seltsam. Na ja, dann vielleicht eher „Damit die Dinge in der Welt gut werden“? Oder ist das schon zu komplex? Da bin ich mir gerade unsicher.

„Zeit für Liebe ist immer“ finde ich auch sehr schön, das kann man sich richtig gut als Meme vorstellen, mit einem quietschorangefarbenem Sonnenuntergang im Hintergrund. Und alle so: Aaaaaaaawwwwww!

„Sachen sind gut, weil Dinge Leben sind“ Wow! Na, wenn das mal nicht weise klingt, das könnte glatt auf diesen Teefähnchen von den Yogi-Teebeutelchen stehen. Oder sowas wie „Mache Sachen und liebe das Leben“, „Mach dein Ding und gut ist“ – das kann jeder risikolos abnicken und sich dabei klug und tiefsinnig fühlen. Niemand wird es wagen, anzumerken, dass das alles hohle Phrasen sind, weil man sich dann ja selbst eingestehen müsste, dass man auf inhaltsleeren Quatsch reingefallen ist. Und das wäre sehr peinlich. Also spielen alle das Spiel mit, klatschen Applaus, wenn Leute Sprüche klopfen, die sich „irgendwie gut“ anhören und tun so, als würde das irgendetwas aussagen.

Und vielleicht ist das auch „irgendwie gut“, wenn sich alle dabei wohlfühlen … aber so auf Dauer fühle ich mich von so viel Inhaltsleere wie, wenn ich mich ein paar Tage lang nur von Fastfood ernährt habe. So hungrig nach Nährstoffen, nur nicht für den Körper, sondern für den Geist.

Und wie geht es euch mit dem ganzen Zeug?

Essai 178: Über Berufsbeleidigte Leberwürste

9. September 2017

Manche Menschen haben das Beleidigtsein zu einer Kunstform erhoben und beherrschen diese auf virtuose Weise. Das ist wirklich faszinierend. Und raffiniert, denn mit professionellem Beleidigtsein kann man andere Menschen hervorragend manipulieren.

Die Politiker von der AfD zum Beispiel haben das Prinzip begriffen: Wenn jemand mit kritischen Fragen oder guten Argumenten kommt, einfach schmollen und pikiert tun. Die Leute, die die AfD sowieso scheiße finden, denken dann: „Ach, die schon wieder, Mimimi, Idioten“ und ziehen gar nicht in Betracht, dass diese Partei eine ernsthafte Bedrohung für irgendwas darstellen könnte. Und wer die AfD gut findet, denkt: „Richtig so! Wir lassen uns von dieser Lügenpresse nicht den Mund verbieten! Das wurde auch Zeit, dass sich mal wieder jemand für unser Deutschland stark macht und da konsequent bleibt!“

Derweil kann die AfD dann fröhlich an ihrer menschenfeindlichen Ideologie weiterfeilen, ohne dass sie irgendjemand dabei stört. Das professionell beleidigte Leberwursttum hat bei denen schon System. Erst tun sie empört, weil man sie angeblich nie in Talkshows einlädt. Dann lädt man sie in Talkshows ein. Sie wettern über illegale Einwanderung, als ob das das einzige oder zumindest größte Problem wäre, weshalb in Deutschland keine soziale Gerechtigkeit herrscht, zählen bis drei … und wenn dann ein Talkshowgast erwartungsgemäß das Stichwort „rechtsextrem“ in den Raum wirft, verlassen sie selbigen. Dabei murmeln sie noch hochempört weiter was von „Einwanderung“ und „muss-ich-mir-nicht-bieten-lassen“ und freuen sich schon darauf, ihre vorbereitete Pressemeldung auf Facebook zu posten.

Zackbumm, Ziel erreicht: Die AfD-Gegner amüsieren sich darüber, wie doof die doch sind, dass die immer gleich beleidigt tun. Die AfD-Sympathisanten fühlen sich in ihrer Rolle als Opfer der bösen Medien und naiven Bahnhofsklatscher/linksrotgrünversifften Gutmenschen/Merkel bestätigt.

Das funktioniert aber nicht nur in der Politik, mit berufsbeleidigtem Lebergewurste die Menschen in seinem Umfeld so zu manipulieren, dass sie nach der eigenen Pfeife tanzen. Auch privat ist das eine sehr effektive Strategie, um sich selbst für nichts anstrengen zu müssen, und trotzdem alles zu bekommen, was man will.

Klar, es gibt immer ein paar Leute, die gegen diese meisterhafte emotionale Erpressungstaktik immun sind, die Profi-Mimosen einfach vor sich hin schmollen lassen, und sich weiter ihrem Kram widmen. Aber es gibt auch immer Leute wie mich, die möchten, dass alle glücklich sind, die es nicht ertragen, wenn jemand traurig oder verletzt erscheint, und die sich nach Kräften bemühen, für Harmonie zu sorgen.

Und berufsbeleidigte Leberwürste spüren intuitiv, mit wem sie ihre Spielchen erfolgreich betreiben können, und mit wem nicht. Die beinharten Knochen, an denen sie sich die Zähne ausbeißen würden, ignorieren sie einfach. Dafür konzentrieren sie ihre geballte Energie auf die Harmoniebedürftigen, um gezielt ihre Drama-Queen-Auftritte zu inszenieren.

Das Pfiffige an diesem systematischen Dauerbeleidigtsein ist, dass man sich damit als Märtyrer stilisieren kann, dem immer von allen übel mitgespielt wird. Das gibt einem natürlich das Recht, anderen Leuten Vorwürfe zu machen (ist ja egal, ob die auch stimmen). Und das Tolle ist: Wenn man selbst anderen Vorwürfe macht, ist es ja vollkommen ausgeschlossen, dass man selbst das Vorgeworfene ebenfalls tut. Die AfD ist auch darin ein Meister. Sie werfen allen anderen Lügen vor, da kommt keiner (von ihren Anhängern) auf die Idee, dass sie selber Scheiß erzählen.

Anstrengend ist das. Wenn irgendwer einen guten Tipp hat, wie man sich vor diesen Manipulationen schützen kann, immer her damit!

Essai 175: Über Komplimente, die keine sind

16. Juli 2017

Da hat sich also US-Präsident Trump in Frankreich mal wieder in die Nesseln gesetzt und das Netz rastet aus. Anlass ist Trumps Bemerkung „You are in such a good shape!“ („Sie sind so gut in Form!“) gegenüber Brigitte Macron, Frankreichs frischgebackener First Lady. Hier das Video dazu:

Die einen sagen: „Das war eindeutig ein Kompliment, jetzt hört doch mal auf, dauernd auf Trump herumzuhacken.“ Die anderen fanden das total unverschämt, was fällt dem eigentlich ein, so eine deplatzierte Bemerkung gegenüber einer Frau zu machen, war ja klar, typisch Trump, der ist halt ein Sexist. Ich finde, beide Seiten haben recht. Und ich finde, das ist ein prima Thema für einen Essai.

Ich habe den Vorfall mit meiner Mutter gründlich analysiert und wir waren uns beide einig, dass es vom Potus definitiv als Kompliment gemeint war. Wir waren ebenfalls beide der Meinung, dass es – objektiv betrachtet – kein wirkliches Kompliment war. Das ist so, wie wenn man zu meiner Mutter, die die deutsche Grammatik und Rechtschreibung trotz französischem Migrationshintergrund besser beherrscht als jeder „Biodeutsche“ und sicher auch ein breiter gefächtertes Vokabular hat, sagt: „Sie sprechen aber gut Deutsch.“ Oder wie, wenn man zu mir sagt: „Macht doch nichts, dass du klein bist. Die Männer stehen auf kleine Frauen.“

Tja, aber ist es nicht die Absicht, die bei einem Kompliment zählt? Und wie es ankommt oder objektiv von außen wirkt, ist egal? Immerhin kann man doch froh sein, wenn jemand versucht, nett zu einem zu sein, oder?

So einfach ist das meiner Ansicht nach nicht. Es gibt ja auch Komplimente, über die man sich wirklich freut. Und über Komplimente à la „Sind Sie aber gut in Form!“ oder „Sie sprechen aber gut Deutsch“ freut man sich nicht so recht, weil sie irgendwie herablassend wirken. Aber was macht den Unterschied? Und warum wirken die Komplimente der zweiten Kategorie so unterschwellig respektlos? Mal sehen, ob ich das aufgedröselt bekomme …

An der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit kann es nicht liegen. Denn auch jemand, der die Deutschkenntnisse von jemandem lobt, der hervorragend Deutsch spricht, meint es ja nur gut. Jemand, der die Figur von jemandem lobt, der vermutlich mit regelmäßigem Sport und bewusster, gesunder Ernährung auf eine schlanke Linie achtet, ist tatsächlich vom Anblick angetan.

Man könnte vielleicht sagen, dass es grundsätzlich daneben ist, die Figur einer First Lady überhaupt zu kommentieren. Das kann man so sehen, erklärt aber nicht, warum „Sie sprechen aber gut Deutsch“ ein ähnliches Unbehagen und Peinlichberührtsein hervorruft wie „Sie sind aber gut in Form“. Denn jemandes Sprachkenntnisse zu loben, hat nichts Anzügliches an sich.

Ich glaube, was mich an solchen Komplimenten, die keine sind, stört, ist dieser pseudofürsorgliche, möchtegerntröstende Unterton, diese ehrliche Überraschung des Komplimentierenden darüber, dass der andere irgendwas gut kann. Als hätte er ihm das vorher nicht zugetraut und sei auch jetzt noch aufrichtig perplex darüber, dass jemand, den er als weniger wertvollen Menschen betrachtet als sich selbst, überhaupt irgendetwas kann.

Hinzu kommt auch noch die über jeden Zweifel erhabene Überzeugung derer, die Anti-Komplimente machen, dass ihre Meinung über ihr Gegenüber besonders wichtig wäre. Dass der andere das Lob und die Aufmunterung des Komplimentierenden braucht, um Selbstwert zu empfinden. Und dann diese selbstgerechte Grundhaltung, dass sie sich dann total toll fühlen, weil sie einer bedauernswerten armen Seele so etwas Nettes gesagt haben, ganz uneigennützig, nur um zu helfen, weil sie Mitleid mit diesem minderbemittelten Tropf hatten.

Als jemand, der solche Anti-Komplimente empfängt, ist man in einer blöden Situation. Denn einerseits hat der andere gerade unbewusst offenbart, dass er normalerweise nicht viel von einem hält. Bewusst hat er aber von seiner Warte aus etwas Nettes gesagt und es ist nicht einfach zu erklären, was an dem Kompliment komisch und fremdbeschämend war. Also muss man das Kompliment wohl oder übel dankbar annehmen und Freude darüber heucheln. Man ist ja höflich und gut erzogen. Aber so ein leichtes Geschmäckle bleibt dann doch übrig.

Anders bei echten Komplimenten, die nicht in Wahrheit der Selbstdarstellung und Selbstbestätigung des Komplimentierenden dienen, sondern wirklich und wahrhaftig selbstlos sind und von Herzen kommen. Ich denke, wenn man so ein Kompliment bekommt, dann spürt man den Unterschied zu Anti-Komplimenten intuitiv.

Was meint ihr dazu?

Essai 168: Über Misologie und selbstgewähltes Arschlochtum

17. November 2016

Facebook-Diskussionen sind zum Glück ein nie versiegender Quell der Inspiration; dieses Mal geht es um den Begriff der Misologie, den ich im Zuge einer solchen Debatte entdeckt habe. Dabei handelt es sich laut Duden um eine starke Abneigung bis hin zu Hass gegen den Logos, also vernünftige, sachliche Auseinandersetzungen und Argumente. Ich habe so den Eindruck, damit bin ich auf ein Wort gestoßen, das absolut treffend das beschreibt, was auf dieser Welt schief läuft. Ein zeitgenössischer Trend ist es jedoch nicht, sondern – man rufe sich kurz Hexenverbrennungen oder von mir aus auch Jesus‘ Kreuzigung ins Gedächtnis – es scheint in der menschlichen Natur zu liegen, dem Logos grundsätzlich erst einmal zu misstrauen. Wie heißt es doch so schön? Niemand mag Klugscheißer. Isso.

In der entsprechenden Facebook-Diskussion ging es zunächst um Phobien, dann kam irgendwann die Frage auf, weshalb man denn bei Homophobie oder Xenophobie ebenfalls von einer krankhaften Angst spreche … schließlich hätten die Leute nicht in erster Linie Angst vor Homosexuellen oder Fremden, sondern seien schlichtweg Arschlöcher. Charakteristisch für eine Phobie ist ja, dass man wirklich Angst bis hin zu Panik vor etwas hat, obwohl man rational weiß, dass das unsinnig ist. Homophobe und Xenophobe hingegen haben einen starken Hass gegen Homosexuelle oder Fremde, sind jedoch davon überzeugt, dass das vollkommen rational sinnvoll und logisch begründet ist.

Neugierig wie ich bin, habe ich daraufhin kurz recherchiert, ob es nicht einen passenderen Begriff für solche Menschen gibt, die starrsinnig wider jede Vernunft darauf beharren, ihre Arschlochmeinung sei moralisch völlig legitim. Mir schwebte etwas mit der Vorsilbe „mis-“ oder „miso-“ vor, da ja Frauenfeindlichkeit Misogynie, Männerfeindlichkeit Misandrie, Kinderhass Misopädie und Menschenhass Misanthropie genannt wird. Dabei stieß ich letztendlich auf „Misologie“ und fand, das kam dem zumindest nahe. Schließlich hassen ja sowohl Homophobe als auch Xenophobe das, was sie als anders als sie selbst wahrnehmen.

Allerdings spielt Angst bei Hass schon eine Rolle. Bei einer Phobie weiß man jedoch, dass man Angst hat und weiß auch, dass es dafür eigentlich keinen Grund gibt. Bei Hass leugnet man vor sich selbst, dass man Angst hat, weil man sich nicht schwach und verletzlich fühlen will (wer will das schon?), und vor dieser Schwäche wiederum so viel Angst hat, dass man alles tut, um sie zu verdrängen und sich nichts anmerken zu lassen. Und dieses „alles“ bezieht dann auch die Angriff-ist-die-beste-Verteidigung-Taktik mit ein, wobei sich Betroffene dann so weit in ihre Paranoia hineinsteigern, dass sie überall Grund zur Verteidigung wittern – erst recht bei Dingen oder Menschen, die sie nicht sofort einschätzen können, weil sie anders sind.

Solche Misologen sind dann auch besonders anfällig für postfaktische Parolen pöbelnder Populisten (ich weiß, Alliterationen sind schlechter Stil, aber das bietet sich an dieser Stelle einfach an 😛 ). Das ist ja auch logisch (!), wer eine Abneigung gegen sachliche, vernünftige Argumente hat, bevorzugt das Gegenteil davon: Sündenböcke, am besten solche, die sich nicht wehren können als Schuldige, die dann an den Pranger gestellt werden – wahlweise und je nach Epoche und Kultur auch auf den Scheiterhaufen, aufs Schafott, unter die Guillotine, an den Galgen, auf den elektrischen Stuhl und was sich Menschen sonst noch so Feines ausgedacht haben, um sich wie Gott höchstselbst aufzuspielen und das Leben anderer Menschen zu beenden. Neben dem Sündenbock werden dann noch Katastrophenszenarien konstruiert, möglichst pompös und in einfachen Worten – die Zielgruppe will ja nicht erst über das Gesagte nachdenken müssen und auch die Populisten wollen tunlichst vermeiden, dass ihre Adressaten den hasserfüllten Scheißdreck hinterfragen, den sie ihnen so mühevoll vorgekaut haben.

Dabei wird absichtlich auch Angst geschürt, praktischerweise aber auch gleich ein einfaches Allheilmittel gegen die Furcht mitgeliefert, nämlich besagter Hass. Was mich wütend macht, ist, dass so viele Menschen dieses – wie ich finde – einfache Rezept so bereitwillig schlucken. Man müsste eigentlich nur kurz innehalten und den Populisten aufmerksam zuhören, ihre Parolen logisch auseinandernehmen und es bliebe nichts weiter übrig als heiße Luft, ausgefurzt von machtgeilen, gierigen Oberriesenarschlöchern, die diese ganzen „besorgten Bürger“, die frustrierten Abgehängten, als Wahlvieh missbrauchen, und sich darüber hinaus eine elende Mistkacke für sie interessieren. Man verzeihe mir meine Fäkalsprache, weil … ach … nur so.

Echt mal, glaubt zum Beispiel irgendeiner von den Dumpftröten, die Trump gewählt haben, dass der jetzt hingeht, dem Establishment in den verwöhnten Snobbyhintern tritt, Wohlstand, Jobs, Wohneigentum, Krankenversorgung, Bildungschancen und so weiter sozial gerecht unter allen Menschen aufteilt und dann mit seinem Schlitten und den Rentieren frohlockend und mit Glockengeläut zurück in den Himmel aufsteigt? Am Arsch! Gut, das hätte Hillary Clinton genausowenig gemacht, da muss man sich auch nichts vormachen. Und was die kriegstreiberische Außenpolitik angeht, wäre sie wohl auch nicht gerade zimperlich gewesen.

Aber das sind doch die eigentlichen Probleme: dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Dass die Armen immer weniger haben, die Reichen immer mehr. Dass die soziale Gerechtigkeit, so es sie denn überhaupt jemals gab, immer weiter kaputtgespart wird. Dass Bildung und Krankenversorgung kaputtgespart werden. Dass Kultur keine Sau interessiert. Dass sich Lobbyisten und Politiker gegenseitig beschenken, Nepotismus in den oberen Schichten alles schön in den eigenen Reihen belässt. Dass Banken mit Geld spekulieren, das sie sich ausgedacht haben. Dieser ganze neoliberale Irrsinn, der völlig außer Kontrolle geraten ist, und dass die Menschen aus der letzten Finanzkrise nichts gelernt haben. Dass Menschen auch aus den Weltkriegen nichts gelernt haben. Gier und Machtstreben, das ist das, was schiefläuft.

Aber nein, es ist ja so viel einfacher, gefühlte Wahrheiten und nachgeplappertes Hassgepredige von irgendwelchen Demagogen als Grundlage für seine heilige „Meinung“ zu nehmen, sich gegen jede Art von sachlichem Dialog und logischen Argumenten zu verschließen. In seinem eigenen Hass zu schwelgen und sich dabei stark zu fühlen, weil man mit seinem Hass und seiner Misologie nicht alleine ist. Dabei ist es möglich, dem zu widerstehen. Und ich bin der Ansicht, es ist sogar notwendig, dem zu widerstehen, nicht zum Arschloch zu werden, nur, weil man es kann und weil es im ersten Moment kurzfristig einfacher erscheint. Ansonsten werden keine Probleme gelöst, im Gegenteil, alles wird nur noch schlimmer. Und Gewinner gibt es am Ende keine.

Essai 150: Über Selbstverständlichkeiten, die keine sind

12. Dezember 2015

Das Dumme ist, dass ich immer von mir auf andere schließe. Und so erwarte ich dann, dass allen Menschen daran gelegen ist, mit anderen gut auszukommen und ansonsten ihre Ruhe zu haben. Für mich ist das selbstverständlich, freundlich und höflich zu allen zu sein, mich an Absprachen zu halten und mich möglichst so zu verhalten, dass ich die Dinge nicht schlimmer mache als sie sowieso schon sind – sofern ich das beeinflussen kann.

Dass das ganz und gar nicht selbstverständlich ist, zeigt der Syrien-Einsatz der Bundeswehr. Was soll das denn bitte Konstruktives zur Konfliktlösung beitragen und inwiefern soll das bitte den Terrorismus bekämpfen, wenn wir da jetzt unsere schrottigen Jets hinfliegen lassen? Damit liefern wir doch dem IS eine Rechtfertigung für seinen Terror und vielleicht schließen sich dann noch mehr Leute, die bisher unentschlossen sind, diesem Verein an. Die anderen Menschen, die wie ich einfach nur mit anderen gut auskommen und ihre Ruhe haben wollen, werden in den Krieg mit hineingezogen, obwohl sie niemandem etwas getan haben. Wenn sie es schaffen zu flüchten, will sie in Europa schon wieder keiner aufnehmen. Es ist also das Verheerendste und Dämlichste, was man machen kann, Kampfjets und anderen Kriegskram gegen den IS zu schicken. Davon einmal abgesehen, dass es für diese absolut hirnrissige Entscheidung noch nicht einmal eine rechtliche Grundlage wie zum Beispiel ein Mandat gibt.

Oder Nächstenliebe, die halte ich ebenfalls für selbstverständlich, und das muss ich gar nicht, denn ich bin Atheistin. Im Mittelalter wäre ich – selbstverständlich – auf dem Scheiterhaufen gelandet, ich ketzerische Heidin, ich. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man Menschen helfen sollte, wenn man sieht, dass sie in Not sind. Oder dass man zumindest denen, die helfen, das Leben nicht noch schwerer macht als nötig, indem man zum Beispiel Flüchtlingsheime abfackelt. Warum machen Menschen sowas? Ich verstehe es einfach nicht. Warum jubeln Menschen Leuten zu, die menschenverachtende Kackscheiße vom Stapel lassen? Warum wählen einige Menschen solche Leute? Warum hat der Front National in meinem Mutterland Frankreich so viel Erfolg? Warum gibt es Menschen, die die AfD immer noch gut finden?

Aber auch alltägliche Selbstverständlichkeiten, die gar keine sind, treiben mich regelmäßig an den Rand der Verzweiflung. Das ist eigentlich völlig lächerlich und spießig, aber ich lege wirklich großen Wert auf Höflichkeit und Zuverlässigkeit. Und wenn dann jemand sich nicht an eine Abmachung hält, nicht einmal von sich aus absagt, sondern ich das auf den letzten Drücker durch Zufall oder zwischen Tür und Angel erfahre, dass die Absprache platzt, dann macht mich das sauer. Weil es doch eigentlich selbstverständlich ist, dass man von sich aus absagt und wenigstens ein bisschen zerknirscht ist, wenn man eine Verabredung nicht einhalten kann. Das kann doch nicht so schwer sein?

Ebenfalls selbstverständlich ist für mich, Eigenverantwortung zu übernehmen. Das heißt, wenn mich jemand kritisiert, dann überlege ich, ob was dran ist. Wenn ja, versuche ich, dran zu arbeiten. Wenn nicht, dann nicht, dann hefte ich die Kritik unter „unberechtigt“ ab und gut ist. Wobei, na ja, das ist sozusagen der Idealfall. Wenn die unberechtigte Kritik von Menschen kommt, die ich selbst sehr schätze und gern habe, dann wurmt mich das, weil ich denke, wie kommen die denn auf die Idee, mir so etwas aus meiner Sicht Abwegiges zu unterstellen? Das ist doch selbstverständlich, dass ich niemanden kränken oder verletzen will, den ich schätze und gern habe. Oder nicht? Kommt die unberechtigte Kritik allerdings von irgendwelchen Leuten, die mir wumpe sind, dann lasse ich sie blubbern und denke mir meinen Teil.

Also insgesamt ist das doch gar nicht so selbstverständlich mit den Selbstverständlichkeiten. Da benehmen sich Leute wie die letzten Arschlöcher, obwohl das überhaupt nichts Konstruktives zum Gemeinwohl beiträgt. Da machen Menschen dumme Sachen und bringen damit sich und/oder andere in Gefahr, obwohl sie ganz genau wissen (können), wie dumm und unnötig diese Sache ist. Da zetteln Politiker Kriege an, die sie unmöglich gewinnen können und die am Ende nur Verlierer übrig lassen … Und ich verstehe die Welt nicht mehr.

Essai 149: Über Diskriminierung

6. September 2015

Dies ist eine Tirade gegen alle Flitzpiepen, die meinen, sich wie Arschlöcher aufführen zu müssen, ohne dass man sie dafür kritisieren dürfte und wenn man es doch tut, krakeelen sie: „Das ist Diskriminierung! Pfui!“ Ihr ahnt es schon, ich habe wieder Facebook-Kommentare gelesen. Ich weiß, meinem Seelenfrieden zuliebe sollte ich das unterlassen, aber manchmal bleibe ich dann doch hängen. Dieses Mal ging es um ein Foto von einem Lokal, das nach neuen Mitarbeitern suchte. Auf einem Aushang an der Eingangstür stand: „Wir suchen dringend: Köchin/Koch, Kellnerin/Kellner, Religion: egal, Refugees: welcome!, Pegida/Legida-Anhang: So dringend ist es dann doch nicht!!“ Es dauerte nicht lange, dann maulten schon die ersten, das sei ja wohl Diskriminierung und auch nicht besser als gegen Flüchtlinge zu wettern. Das Gemaule ging ja noch, die Kommentatoren waren immerhin friedlich. Aber die Hardcore-Rassisten witterten natürlich eine prima Gelegenheit, um Mitstreiter für ihr Gepöbel zu finden. Und dabei dreschen sie die immergleichen Parolen, von wegen, das sei ihre Meinung und sie seien Realisten und diese ganzen „Gutmenschen“ würden schon noch sehen, was sie davon hätten, wenn es dann in Deutschland zum großen Knall käme, dann säßen sie in der ersten Reihe und würden das Zugrundegehen der ganzen „Gutmenschen“ abfeiern, bla-bla-bla …

So. Dass diese rassistischen Klappspaten in Geschichte mal so gar nicht aufgepasst haben, steht wohl außer Frage. Außerdem deucht es mich ein wenig kurzsichtig, dass sie beim von ihnen offenbar herbeigesehntem Tag des jüngsten Gerichts oder was-auch-immer für ihr Hassgepredige belohnt würden. Warum sollte das passieren? Sie leisten überhaupt nichts Konstruktives mit ihrem Gelaber, im Gegenteil, sie zerstören jede Chance auf Dialog und vernünftige Lösungssuche. Aber sich dann auch noch hinzustellen und beleidigt tun und sich diskriminiert fühlen und sich als Opfer stilisieren, das ist einfach die Höhe!

Gut, es stimmt, dass niemand wegen seiner politischen Einstellung benachteiligt werden darf. Das gilt auch für rassistische Arschgeigen. Allerdings ist das kein Freifahrtsschein dafür, sich komplett daneben zu benehmen. Die wenigsten Menschen kommen als Arschloch auf die Welt, jeder besitzt einen freien Willen und kann entscheiden, ob er die Geschehnisse und Tatsachen in der Welt sowie andere Menschen mit Neid und Missgunst, Hass und Misstrauen betrachten will oder mit Wohlwollen, Vertrauen, Menschlichkeit, Herzenswärme und Nächstenliebe. Wer sich also für den Weg des Hasses entscheidet und sich dafür entscheidet, daran festzuhalten, der benimmt sich wie ein Arschloch und ist selbst Schuld daran. Wenn dann jemand sagt, wir wollen hier aber keine Arschlöcher als Kollegen, dann kann man seine Einstellung ändern oder sich einen anderen Job suchen, wo es nichts macht, dass man sich an einer Scheißhaltung festbeißt. Das Problem mit hasszerfressenen Dünnbrettbohrern ist nämlich, dass sie Unfrieden stiften und das (Arbeits)klima vergiften. Man kann also sicherlich auch als Pegida/Legida-Mitläufer in besagtem Lokal arbeiten, wenn man kein rassistisches Arschloch ist und diese Einstellung ständig kundtut. Das wäre dann ja für Pegida/Legida-Mitläufer, die eigentlich total nett sind, eine prima Gelegenheit, zu beweisen, dass es keinen Grund für einen solchen Vermerk auf einem Aushang gibt. Indem man „Diskriminierung“ brüllt, macht man sich aber lächerlich und wirkt wie eine beleidigte Leberwurst.

Zwar ist es faktisch und von der Definition her nicht gänzlich verkehrt, dass es Diskriminierung ist, Menschen, die einer bestimmten politischen Bewegung angehören, auszuschließen. Doch wo will man denn dann die Grenze ziehen? Darf ich dann in einer Stellenanzeige auch nicht schreiben, dass ich Leute mit einem bestimmten Abschluss, einer bestimmten Ausbildung oder Berufserfahrung suche, weil sich dann alle diskriminiert fühlen, die diesen Qualifikationen nicht entsprechen? Muss ich es einfach so hinnehmen, wenn irgendsoein Arschloch geistigen Dünnpfiff durch die Gegend schmeißt, weil er sich diskriminiert fühlen könnte, wenn ich ihn darauf hinweise, dass seine Einstellung scheiße ist? Was ist, wenn dieses Arschloch andere Menschen mit seinem geistigen Dünnpfiff diskriminiert. Muss man das so stehen lassen, weil es sich ja sonst in seiner Freiheit, andere in ihrer Freiheit zu beschneiden, beschnitten fühlen könnte?

Ich würde daher vorschlagen, Diskriminierung nur als solche zu werten, wenn es um Dinge geht, für die man nichts kann und die sich nicht (ohne Weiteres) ändern lassen. Dazu gehören zum Beispiel das Geschlecht, die Hautfarbe, Körpergröße, eventuelle Behinderungen, Herkunft. Auch kann man nichts dafür, wenn man Flüchtling ist, denn ich gehe davon aus, dass man nur aus seiner Heimat flüchtet, wenn man existenziell bedroht wird und/oder um sein Leben fürchten muss. Ansonsten ist man ein Auswanderer. Man kann auch nur bedingt etwas für seine Religion, sofern man dort hineingeboren wurde und damit aufgewachsen ist. Man kann aber was dafür, ob man sich wie ein asoziales, egoistisches, hasserfülltes Arschloch aufführt oder nicht. Wenn man deswegen nicht benachteiligt werden will, soll man anfangen, sich wie ein Mensch zu benehmen.

Essai 135: Über die Suche nach einem Sündenbock

28. Dezember 2014

Eigentlich wollte ich mich ja nicht mehr so sehr über Leute ärgern, die eine meiner Meinung nach bescheuerte Meinung vertreten. Das hatte ich mir zumindest im Essai über den Umgang mit intoleranten Ignoranten vorgenommen. Aber das war, bevor diese Leute von Pegida und Hogesa und wie sie alle heißen sich bedrohlich wachsender Beliebtheit erfreuten. Im letzten Essai über religiöse Gefühle war ich ja kurz auf diese bornierten Zeitgenossen eingegangen. Nun hat der Hype um diese selbsternannten patriotischen Europäer aber nicht nachgelassen und so fand ich, das verdient einen eigenen Essai.

Ich muss zugeben, ich bin bei Fremden- und Ausländerhass immer sehr dünnhäutig und reagiere da zuweilen etwas zickig, rechthaberisch und humorlos, wenn ich irgendwas in der Richtung zu wittern meine. Da kann ich mich manchmal nicht zurückhalten, ich finde eine solche Einstellung einfach scheiße. Vor allem, weil sie sich ja durch ein bisschen Nachdenken und Neugier auf das Andere sofort in Luft auflösen würde und das ist doch eigentlich nicht schwer. Na ja, das ist zumindest meine Sicht der Dinge, die besitzt ja keine Allgemeingültigkeit, wie ich mir gelegentlich ins Gedächtnis rufen muss. Schon gut, arrogante Intellektuelle und so weiter.

Also, heute möchte ich mal versuchen, zu verstehen, warum die Leute bei Pegida und Co. mitmachen. Ich habe mir mal die Videos der Panorama-Sendung angeschaut, die ARD auf seiner Homepage veröffentlicht hat.

http://www.ardmediathek.de/tv/Panorama/Pegida-Die-Interviews-in-voller-L%C3%A4nge-/Das-Erste/Video?documentId=25442126&bcastId=310918

Achtung, die graubemützte Pappnase, die die ausländerfeindlichen Parolen am Anfang hervorblubbert, ist der inzwischen enttarnte Möchtegern-Wallraff von RTL, der sich bei seinen Kollegen mehr als unbeliebt gemacht hat. Hier gibt’s den Kommentar von der Panorama-Redaktion zu der Angelegenheit.

Es gibt noch ein zweites Video mit Interviews:

http://www.ardmediathek.de/tv/Panorama/Pegida-Die-Interviews-in-voller-L%C3%A4nge-/Das-Erste/Video?documentId=25442102&bcastId=310918

Es fällt auf, dass die meisten Menschen, die dort befragt werden, die im Namen Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) enthaltene vermeintliche Islamisierung gar nicht fürchten, teilweise sogar selbst für Quatsch halten. Weiterhin scheinen auch nicht alle plumpe Ausländerhasser, Nazis, Rechtsradikale und Idioten zu sein. Mein Eindruck nach diesen Interviews ist eher, dass es sich um Durchschnittsbürger und Spießer handelt, die sich mit ganz anderen Sorgen als irgendeine Islamisierung plagen. Was natürlich keine Verteidigung sein soll, wie gesagt, ich versuche das lediglich nachzuvollziehen.

Meines Erachtens schimmert vor allem eine Grundstimmung durch: Politikverdrossenheit. Viele der Interviewten kamen relativ schnell ins Straucheln, wenn die Reporter sie auf die Islamisierung ansprachen. Da wussten sie dann auch nicht so genau, was das sein soll und wovor sie da konkret Angst haben und was sie da nun aktuell bedroht sehen. Stattdessen kamen Probleme zum Vorschein, die mit Religion oder Ausländern nicht wirklich viel zu tun haben. Einige beklagen, dass nicht genug unternommen wird, um die Bevölkerung vor Kriminalität zu schützen (wobei es schon arg ausländerfeindlich ist, in diesem Zusammenhang alle Bulgaren und Rumänen über einen Kamm zu scheren). Ältere Menschen sorgen sich, dass ihre Rente nicht ausreicht, andere kritisieren, dass der Lohn für ehrliche Arbeit nicht zum Leben genügt oder dass Mütter nicht ausreichend unterstützt werden. Im Kern schien es hauptsächlich darum zu gehen, dass „die Politiker“ sich für die Schwierigkeiten der Bevölkerung nicht interessierten, sich mit Ersatzproblemen beschäftigten, anstatt im „eigenen Land“ anzupacken, das Geld für die falschen Dinge verschwendeten und sich überhaupt rücksichtslos egoistisch aufführten.

So betrachtet erscheint diese vermeintliche Islamisierung des Abendlandes nicht als reelle Gefahr, sondern als Sündenbock. Relativ normale Menschen mit mehr oder weniger nachvollziehbaren Ängsten und Alltagsproblemen wissen nicht, wohin sie ihren Frust lenken sollen. Gegen die genannten Schwierigkeiten ist man ja als Einzelner tatsächlich machtlos und das kann einen schon sehr belasten, nehme ich an.

Trotzdem, auch wenn man das mit etwas Wohlwollen immerhin verstehen kann, warum ein Sündenbock gesucht wird, halte ich diese schwelende Atmosphäre der allgemeinen Frustration für gefährlich. Das kann ganz schnell eskalieren, vor allem, wenn sich auch noch gewaltbereite Rechtsradikale und mitlaufende Vollidioten unter die Durchschnittsbürger mischen. Und ich habe keine Lust, dass die Nazis wieder Oberwasser gewinnen. Das bereitet mir persönlich größere Sorgen als irgendeine eingebildete Islamisierung.

Vielleicht lassen sich nicht alle diese Probleme lösen, aber ich bin der Ansicht, wenn man die Energie, die man in die Suche und Aufrechterhaltung eines Sündenbocks investiert, aufspart, dann kann man zumindest im Kleinen ein bisschen bewegen. Die Energie lässt sich dann zum Beispiel darauf verwenden, den ausländischen Nachbarn besser kennen zu lernen. Sobald man jemanden persönlich kennt, spielen Vorurteile gegen größere Gruppen keine Rolle mehr.

Essai 133: Über künstliche Aufreger

26. Oktober 2014

Nun ist Dieter Nuhr also angezeigt worden. Er sei ein „Hassprediger“, der gegen religiöse Gemeinschaften hetze, Gläubige beleidige und verunglimpfe, lautet der Vorwurf. Mein Verdacht ist, dass die Leute, die Dieter Nuhr gerade juristisch auf die Pelle rücken nur den Zusammenschnitt seiner Auftritte gesehen haben, in denen er den Islam – genauer gesagt den religiös-islamistischen Fanatismus – kritisiert. Denn wenn man sich mehrere seiner Auftritte am Stück ansieht, dann wird klar, dass er nicht etwa nur den islamistischen religiösen Fanatismus kritisch-sarkastisch auseinandernimmt, sondern generell gegen Doofheit wettert. Wobei – und da gehe ich mit ihm d’accord – unter Doofheit jegliche Form von Borniertheit, Verblendung, Ignoranz, Vorverurteilung und Fanatismus fällt. Also auch christliche Fundamentalisten bekommen ihr Fett weg und nicht religiös motivierte Dumpfbacken ebenfalls. Dass er dabei aus dem Koran zitiert und die Zitate aus dem Zusammenhang reißt, mag sein. Aber wenn man ihn anzeigt, indem man ebenfalls seine Aussagen aus dem Zusammenhang reißt und dies als Begründung für seine Empörung nutzt, ist man doch keinen Deut besser. Und selbst wenn: Muss man denn immer gleich die Leute anzeigen, nur weil die was gesagt oder getan haben, was einem nicht gefällt? Man kann doch auch einfach sagen: Gut, der hat da eine Meinung, die finde ich blöd und mit der bin ich nicht einverstanden, aber das ist nu(h)r eine Meinung! Wenn man wirklich was Besseres ist, dann steht man da doch drüber!

Ich kann mich wunderbar künstlich darüber aufregen, wenn sich Leute künstlich über irgendwas aufregen, ohne den Kontext zu berücksichtigen. Das mit der Anzeige gegen Dieter Nuhr ist ja nur ein Beispiel unter vielen. Also, bevor mich jetzt auch noch irgendwer anzeigt, weil ich versuche, die ganze Angelegenheit wieder auf den Teppich zu holen, hier noch weitere Beispiele. Zum Beispiel diese Anwohner in Hamburg an der Alster in einer eher schickeren Gegend, die kein Flüchtlingsheim in ihrem Revier wollen. Schließlich würden die ja nicht gleich Arbeit finden und dann lungern die da die ganze Zeit draußen rum und machen Krach. Und dann haben die ja auch so viele Kinder, pfui, die machen ja auch Krach. Also haben die sich einen Anwalt genommen und klagen gegen das geplante Flüchtlingsheim. Bei sowas kriege ich echt das Kotzen, man verzeihe mir die Ausdrucksweise. Wenn diese reichen Schnösel selber den ganzen Tag arbeiten, kriegen die doch den angeblichen Krach, sofern es ihn denn gäbe, gar nicht mit. Und wenn sie nicht den ganzen Tag arbeiten, sondern ebenfalls die ganze Zeit draußen herumlungern, dann sollen die nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute zeigen und herumhupen.

Und wenn ich schon mal dabei bin, mich künstlich aufzuregen: Diese Mecker-Anwohner, die kein Hospiz und keine Kita und keinen Friedhof und kein gar nichts in ihrer Nachbarschaft haben wollen, weil das ja so viel Lärm verursache, oder Geruchsbelästigung oder ihnen der Anblick nicht fein genug ist – kommt mal klar!

OK, ich kann ja mal wenigstens versuchen, mich in diese Stinkstiefel hineinzuversetzen, damit mir nachher keiner vorwerfen kann, ich würde ebenfalls den Kontext ignorieren. Angenommen, die haben den ganzen Tag nichts Interessantes zu tun und hocken rund um die Uhr in ihrer Wohnung. Da hätte ich auch eine Scheißlaune und wenn ich dann auch noch denke, dass ich nichts dran ändern kann, weil ich zum Beispiel ein grantiges, fieses, verbittertes Arschloch bin, dann würde ich vermutlich auch nach Schuldigen suchen, die ich dafür fertig machen kann. Und wenn ich noch dazu ein Feigling wäre, dann würde ich mir Schuldige suchen, die sich nicht wehren können, also Flüchtlinge, Kinder oder Todkranke. Hmmm, doch das ergibt Sinn.

Gut, man muss ja jetzt nicht zwingend ein Arschloch sein, um Leute anzuzeigen, die – im Kontext betrachtet – nichts wirklich Schlimmes getan haben. Es reicht, wenn man einfach zu wenig Sinnvolles zu tun hat. Da kommt man halt auf Gedanken. Und wenn man sich dann künstlich darüber aufregt und Leute findet, die auch zu wenig Sinnvolles zu tun haben und Lust bekommen, sich die Zeit mit künstlichem Aufregen zu vertreiben, dann schaukelt sich das eben ratzfatz hoch. Besonders in Zeiten des Internets findet man ja schwuppdiwupp Gleichgesinnte, die nur darauf warten, dass ihnen irgendwer eine Idee gibt, worüber sie sich künstlich aufregen könnten.

So. Und jetzt mache ich mir eine schöne Tasse Tee.