Essai 201: Über Humor als Dominanzgehabe

Wer bestimmt eigentlich, was lustig ist und was nicht? Eigentlich sollten das alle für sich entscheiden dürfen … tatsächlich wird Humor aber sehr oft als Mittel genutzt, um ein Machtgefälle herzustellen oder zu zementieren; als Dominanzgehabe also. Wie ich bereits in meinem Essai über Arschloch-Humor geschrieben hatte, gibt es einen bestimmten Menschenschlag, der nur Dinge witzig findet, die gegen Minderheiten, vermeintlich Unterlegene und weniger Mächtige geht.

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was das soll. Aber mir sind Macht, Dominanz und Das-Sagen-haben einfach mal überhaupt nicht wichtig, deswegen kann ich mit Machtspielen, Dominanzgebaren und Ego-Geplüsche überhaupt nichts anfangen. Das ist mir viel zu anstrengend. Es reicht doch, wenn es eine klare Aufgabenverteilung, klare Zuständigkeiten gibt, sich alle bei Bedarf gegenseitig helfen und miteinander reden, und dann läuft der Laden auch ohne strenge Hackordnung mit Alphatierchen ganz oben an der Spitze, gefolgt vom Betatierchen und so weiter.

Aber, wie dem auch sei, viele Menschen brauchen offenbar das Gefühl, Alphatierchen zu sein, und sich einzubilden, alle anderen stünden unter ihnen. Fragt mich nicht, wie das funktionieren soll, eine Gesellschaft, die fast nur aus Alphatierchen besteht, die sich um den ersten Platz rangeln und ihre ganze Energie darauf verplempern, ihrer Konkurrenz eins auszuwischen, um diese vom Thron zu stoßen und sich selbst darauf breit zu machen. Das ist meiner Meinung nach Zeitverschwendung. Und am Ende hat man dann einen Armin Laschet als Bundeskanzlerkandidat. Wenn seine Partei (unter anderen) mit ihrem Anti-Grünen-Bashing Erfolg hat, bremst der Mann das ganze Land ab September auch als Bundeskanzler bei notwendigen Veränderungen in Sachen Klimaschutz, Sozialpolitik und Bildung aus.

Humor, genauer: der Anschein von Humor, ist ein ausgezeichneter Deckmantel für das Diskreditieren, Diskriminieren, Herabsetzen und Einschüchtern von Menschen, die den eigenen Macht- und Dominanzanspruch infrage zu stellen drohen. So kann ein Arschloch mit Überwertigkeitskomplex zum Beispiel einfach irgendetwas Arschiges sagen oder tun, hinterher sagen: „War nur ein Witz“ – und schon steht die angegriffene Person wie eine humorlose, weinerliche Wurst da, wenn sie sich beschwert. Ich weiß nicht, warum, aber diese Arschlöcher schaffen es dann ja auch immer irgendwie, Lakaien um sich zu scharen, die dann über den vermeintlichen Witz lachen, und die Dominanzstellung des Arschlochs damit validieren. Wer bestimmt, was witzig ist, bestimmt eigentlich alles.

Es fällt in den Kommentarspalten der Sozialen Medien immer wieder auf, wie Arschlöcher durch (vermeintlichen) Humor versuchen, die Deutungshoheit zu erhalten und den Diskurs zu bestimmen. Dabei werden Dinge, die ihnen nicht in den Kram passen, hämisch ins Lächerliche übertrieben, um sie der Albernheit preiszugeben – und damit die Machtverhältnisse so bleiben, wie sie sind. Meistens geht das gegen Dinge, die in Richtung Gleichstellung oder Antirassismus gehen, oder gegen den wissenschaftlichen Konsens. Anscheinend fühlen sich dann ein paar arrogante Ahnungslose in ihrer völlig unverdienten Privilegiertenstellung bedroht, wenn sich andeutet, dass ja anderen Menschen diese Privilegien genauso zustehen. Oder sie fühlen sich unterlegen, wenn sie etwas nicht verstehen, und anstatt sich Mühe zu geben, das zu verstehen oder einfach zu akzeptieren, dass Wissenschaftler*innen auf ihrem Gebiet eben mehr Ahnung haben als sie, versuchen sie mit Arschloch-Humor die anderen unterzubuttern, damit sie sich wieder überlegen fühlen können.

Wer mag, kann das mal auf Facebook testen: einfach mal unter irgendeinem beliebigem Post einen Kommentar schreiben und dabei gendergerechte Sprache verwenden. Zum Beispiel: Wissenschaftler*innen. Das wird nicht lange dauern, da kommen schon die ersten Witzbolde und wollen wissen, ob man denn dann auch „Kinder*innen“, „Bäum*innen“ etc. sagen müsste, hahaha, voll lustig, und so originell. Eigentlich zeigen diese Menschen damit nur, dass sie nichts begriffen und sich über das Thema überhaupt nicht informiert haben. Und das ist im Prinzip für sie peinlich. Aber es funktioniert trotzdem, sie dominieren den Diskurs und horten die Deutungshoheit für sich – weil sie ihr substanzloses, inhaltsleeres, uninformiertes Gequake als Witz und Humor getarnt haben.

Tja, was tun? Ich bin da ehrlich gesagt etwas ratlos. Gegen diese geballte Arroganz, Selbstherrlichkeit und Dreistigkeit der Dominanzhumoristen komme ich mit meinem Sinn für Humor jedenfalls nicht an. Manchmal kann man den Leuten mit kurz angebundenen Antworten den Wind aus den Segeln nehmen und sich damit ein wenig Deutungshoheit zurückerobern. Also einfach mal auf ein „Muss ich dann auch Kinder*innen sagen?“ mit einem „Nein.“ antworten. Oder einfach „Aha“, „Tja, na ja“ oder „Wenn Sie meinen“ entgegnen – das passt immer. Damit kann man Arschlöcher ganz wunderbar ärgern. Allerdings ändert das dann aber nichts daran, dass ihr Gepolter immer noch den Diskurs dominiert.

Und, was sind so eure Erfahrungen mit Humor als Mittel zur Machtdemonstration und Dominanzgehabe? Wie geht ihr damit um? Schreibt es mir in die Kommentare, ich bin gespannt!

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Eine Antwort to “Essai 201: Über Humor als Dominanzgehabe”

  1. Papa Foto Blog Says:

    Ganz meine Meinung. Danke.

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