Essai 41: Über Freundschaft

In jede Essai-Sammlung, die was auf sich hält, gehört auch ein Essai über Freundschaft und einer über Liebe. Über die Liebe schreib ich morgen, jetzt ist erstmal die Freundschaft an der Reihe.

Ja, die Freundschaft, ein schwieriges Thema. Ich bin ja der Meinung, das ist auch eine Form von Liebe, halt nur platonisch. Aber interessanterweise ist man in einer Freundschaft toleranter, als in der Liebe. Das hängt wohl mit den Ansprüchen zusammen. Man erwartet weniger von einem Freund, als von dem Partner. Es fällt leichter, den Freund so zu nehmen, wie er ist. Dabei ist die sogenannte „wahre Freundschaft“ wie allseits bekannt, schwer zu finden und oft genug täuscht man sich. Dann ist sie noch schwieriger zu finden.

Manchmal verwechselt man die Freundschaft – wie auch die Liebe – mit Abhängigkeit. Solche Beziehungen kann man nur durch einen Knall beenden mit gebrochenen Herzen, zertrümmertem Vertrauen und tiefen Wunden. Zum Glück verheilt das irgendwann, aber mit der Person, mit der man vorher befreundet zu sein glaubte, kann man nie wieder ein echtes Vertrauensverhältnis aufbauen. Wenn eine Liebesbeziehung zerbricht, kann man die Freundschaft retten. Zerbricht eine Freundschaft, gibt es hinterher nichts mehr. Wenn man Glück hat, wird immerhin keine Feindschaft draus. Eine Zeitlang ist das zwar ganz unterhaltsam, sich gegenseitig anzuzicken, aber auf Dauer ist das extrem anstrengend. Mit zerbrochenen Freundschaften macht man am besten seinen Frieden und versucht für die Zukunft draus zu lernen.

Meiner Ansicht nach ist eine Freundschaft von Gegenseitigkeit geprägt. Denn wenn sie einseitig ist, wird zu schnell Abhängigkeit draus, in jedem Fall aber wird derjenige, der mehr in die Freundschaft investiert über kurz oder lang ziemlich frustriert sein und sich überlegen müssen, ob er auf diese Einseitigkeit auf Dauer Lust hat. Im Großen und Ganzen ist das mit der Freundschaft wohl so, dass man gar nicht genau erklären kann, was das ist. Man merkt, wenn es da ist und man merkt, wenn es nicht mehr da ist.

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6 Antworten to “Essai 41: Über Freundschaft”

  1. Sebastian Says:

    Jaja die Abhängigkeit… verwechselt man sie mit Freundschaft!? Nun von einer Seite her mit Sicherheit, da die Pseudo-Freundschaftliche Beziehung mit Sicherheit nicht zu stande kommen wrde, aber von beiden Seiten??? Das wage ich zu bezweifeln, da der Abhängige sich seiner Situation zumeist wohl bewußt sein dürfte, auch wenn er es anders definiert, z.B. der Drang eine Person für sich zu gewinnen.
    Der Zusammenhang zwischen einer einsitigen Freundschaft und der daraus folgenden Abhängigkeit ist mir nicht ganz klar, ja eigentlich sogar falsch. Abhängigkeiten entstehen nicht aus einseitigen Freundschaften, sondern eine Abhängigkeit besteht von vorne herein oder entwickelt sich aus anderen Gründen. Das entstehen aus der Freundschaft würde ich mal ganz gerne genauer erklärt haben, denn ich kann mir keinen Reim daraus machen.
    Eine klar einseitige „Freundschaft“ ist zudem keine Freundschaft, sondern Ausnutzen, was per Definition keine Freundschaft sein kann. Eie Freundschaft hingegen in der ein Ungleichgewicht zwischen zwei Seiten besteht kann natürlich diverse Gründe haben und mit Sicherheit zur Frustration führen, wenn man dies erkennt und keine sinnvolle Erklärung für dieses Ungleichgewicht erhält.
    Nun wie immer eher zweifelnde Einwürfe von meiner Seite, aber yipieh Diskussionen beleben das Geschäft!

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    • isa09 Says:

      Soo, dann mal der Reihenfolge nach 🙂 :

      Es ist ja nicht gesagt, dass die Abhängigkeit von vorneherein besteht, das kann sich auch erst entwickeln.
      Ich denke in dem Punkt hast du Recht, zu Anfang ist das noch keine Abhängigkeit, sonst würde man sich in der Tat nicht sympathisch sein, und auch keine Freundschaft eingehen.
      Aber wenn eine Freundschaft sich in Abhängigkeit gewandelt hat, dann denke ich schon, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Dann sind es also zwei gegenseitig von einander abhängige, die wir da haben. Das mag sein, dass man sich dessen bewusst ist, das heißt aber noch lange nicht, dass man auch die Kraft hat, daraus auszubrechen. Denn auszubrechen hieße die Beziehung wie sie existiert, wie man sie gewohnt ist, zu zerstören. Und das macht einem natürlich Angst. Lieber ein Unglück, das man schon kennt, an das man sich irgendwie auch gewöhnt hat, als die Ungewissheit. Sicherlich gibt es ein paar wenige Todesmutige, die das anders sehen, aber ich denke, die meisten Menschen ticken eher so.

      Und wenn der Abhängige seine Abhängigkeit nicht als solche definiert, dann ist er sich nicht dessen bewusst. In deinem Beispiel verwechselt er dann freundschaftliche Gefühle mit dem Drang eine Person für sich zu gewinnen, sie also zu besitzen. Das ist keine Freundschaft. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass derjenige in dieser Situation, das für Freundschaft hält. Vielleicht auch, weil er es nicht anders kennt und noch nie erlebt hat, wie es ist, jemanden einfach so zu mögen / lieben.

      Die Abhängigkeit und die einseitige Freundschaft … ja, da weiß ich auch nicht mehr so genau, was ich damit gemeint habe. Vielleicht, dass man zuviel von dem anderen erwartet, was der nicht erfüllen kann, wenn die Freundschaft einseitig ist. Dem anderen kann es egal sein, der erwartet ja nichts von dem anderen und ist dahingehend frei. Der andere, der Ansprüche hat, der von seinem „Freund“ ein gewisses Maß an Einsatz erwartet – sei es zum Beispiel, dass man einfach ab und zu mal anruft – der hat die Arschkarte und wird über kurz oder lang von dieser einseitigen Freundschaft ziemlich gefrustet sein. Das ist dann weniger eine Abhängigkeit von dem anderen, als eine Abhängigkeit von den eigenen Maßstäben und Ansprüchen. Da sollte sich derjenige versuchen von frei zu machen, damit er den anderen wieder so sehen kann wie er ist und nur das von ihm erwartet, was der andere auch erfüllen kann.

      Wie eben erwähnt, ich denke nicht, dass eine Abhängigkeit von vorneherein besteht. Das entwickelt sich erst. Zumindest, wenn es eine seelisch-emotionale Abhängigkeit ist, wie ich es in dem Artikel gemeint habe – vielleicht war nur mir das klar und das kam sonst nicht rüber. Aus – sagen wir mal – finanzieller Abhängigkeit kann eventuell auch eine gute Freundschaft entstehen – zumindes theoretisch – wenn der Reichere es dem Ärmeren nicht vorhält und keine seelisch-emotionale Abhängigkeit dazukommt. So ist es durchaus denkbar, dass ein Prinz und ein Bettelknabe eine wunderbare Freundschaft entwickeln. Bei Therapeut und Patientem ist das meines Erachtens schon schwieriger, es sei denn, der Patient ist geheilt und schon seit Ewigkeiten entlassen und sie fallen nicht in ihr altes Rollenmuster zurück. Wie gesagt, schwierig.

      Die Abhängigkeit entsteht nicht aus der Freundschaft, sondern in der Freundschaft. Klassisches Beispiel ist eine Freundschaft zwischen einem Hilflosen, der mit sich und seinem Leben nicht klar kommt, und einem Helferkomplexierten, der sich nur dann als vollwertigen Menschen betrachtet, wenn er alle Welt errettet. Am Anfang steht gegenseitige Sympathie, man freundet sich an. Allmählich kristallisiert sich der jeweilige Charakterzug der Beteiligten heraus und das funktioniert anfangs prima. Der Hilflose freut sich, dass ihn jemand unterstützt, dass er jemanden hat, dem er sein Leid klagen kann und dass er sich nicht so alleine fühlt mit seinen „Problemen“. Der Helferkomplexierte fühlt sich in seinem Element, weil er wieder jemanden hat, den er retten kann.
      Und wenn das einmal in Gang gekommen ist, entsteht die Abhängigkeit. Beide gewöhnen sich an ihre Rollen. Nach der Gewöhnung kommt irgendwann die Frustration: Der Hilflose ist es leid, immer der Idiot zu sein, dem man alles sagen muss, der nichts gebacken kriegt und den alle für unfähig halten, der Helferkomplexierte hat keine Lust mehr, ständig gegen eine Wand zu reden und nichts ändert sich und wieso hört der andere eigentlich NIE zu, was man ihm sagt.
      Und ich behaupte, eine solche Situation ist so festgefahren, dass man sie nur dadurch beenden kann, dass man die vermeintliche Freundschaft beendet. Und es wird nie wieder ein Vertrauensverhältnis zwischen beiden möglich sein, weil einfach die Gefahr zu groß ist, in sein altes Rollenmuster zurückzufallen und dann geht der ganze Tröt von vorne los. Das geht theoretisch nur, wenn beide sich radikal ändern, aber ich persönlich bin der Meinung, bestimmte Verhaltensmuster bleiben latent vorhanden. Eventuell ist zwischen den beiden ein friedliches bis freundschaftliches Verhältnis später wieder möglich, aber keine enge Freundschaft. Sie werden immer einen Abstand zu einander halten müssen, wenn sie nicht ins alte Muster rutschen wollen.

      Ja, eine einseitige Freundschaft ist Ausnutzen, das stimmt. Das merkt man ja aber nicht immer sofort und manchmal hat man jemanden ins Herz geschlossen und merkt zu spät, dass der einen ausnutzt. Da hilft nur, die Beziehung neu zu definieren. Dann ist es eben keine Freundschaft, sondern nur eine Bekanntschaft. Wenn beide nicht mehr erwarten, ist das völlig in Ordnung und kann sehr unterhaltsam sein. Man darf nur nicht erwarten, dass derjenige für einen da ist, wenn man jemanden braucht.
      Die Neudefinierung braucht Zeit und Geduld und Durchhaltevermögen, lustig ist das nicht. Aber manchmal eben notwendig.

      So, ich hoffe, ich konnte einige deiner Fragen beantworten? Übrigens liebe ich Diskussionen, also nur her mit den kritischen Beiträgen 😉

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  2. kunigundeblog Says:

    Liebe Isa, ich finde, dass man in Deiner Argumentation bezüglich der Abhängigkeit zwischen zwei „Freunden“ noch hervorheben sollte, dass nicht nur der Hilfesuchende abhängig ist vom Helfer, sondern auch der helfende „Freund“ sich in seinem Menschenbild und seinem Verhaltensmuster treu bleibt und in gewisser Weise ab-hängig ist von dem Verhaltensmuster des Hilfesuchenden. Das wollte ich noch mal hervorheben. Ansonsten finde ich Deine Hinführung zum Thema schlüssig und zeigt, dass sie von eigen gemachter Erfahrung bzw. von durchdachter Erfahrungf zeugt. Liebe Grüße von Kunigunde

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    • Isabelle Dupuis Says:

      Das stimmt, das hatte ich nicht so deutlich hervorgehoben, meinte ich aber auch. Ich glaube, in so einem Verhältnis von Helfendem/Hilflosem fährt sich das ganz schnell so fest, dass man da nur mit einem Knall wieder herauskommt. Das dauert dann, bis man sich davon wieder berappelt hat, aber wenn man den Mechanismus gegenseitiger Abhängigkeit erst mal begriffen hat, kann einen das für die Zukunft auch stärker machen.

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  3. kunigundeblog Says:

    Das Problem bei diesen Abhängigkeitskonstellationen ist, dass der Helfende sich gar nicht als abhängig bezeichnen mag, da er/sie sich als stark und unabhängig sieht im Gegensatz zum hilflosen, schwachen und depressiven Hilfesuchenden. Der hingegen wird als Problem angesehen, der das Problem lösen soll. Da hilft meistens bei solchen Konstellation der systemische Ansatz, der davon ausgeht, dass sich um das Individuum herum die Zugehörigkeiten ansammeln und einem zugeordnet werden. Da kann aus dem Helfenden schnell ein Opfer des Hilfesuchenden werden, da er ohne Hilfesuchender nicht existieren kann. Dies dazu. LG, Kunigunde

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    • Isabelle Dupuis Says:

      Ja, ich denke, der Helfende braucht genau deswegen den Hilflosen, damit er sich stark und unabhängig fühlen kann. Er vermeidet es dadurch, vor seiner eigenen Haustür zu kehren und sich mit seinen eigenen Problemen zu beschäftigen und kann selbige wunderbar verdrängen und ignorieren, indem er seine ganze Energie darin steckt, die Probleme anderer zu „lösen“ und sich in Dinge einzumischen, die ihn gar nichts angehen. Klingt jetzt ein bisschen fies, aber genau da liegt dann glaube ich der Punkt, wo aus dieser Helfender/Hilfloser- und Problemlöser/Problemverursacher-Konstellation eine Abhängigkeit entsteht, die man vielleicht mit Freundschaft verwechseln kann. Ich habe vor einiger Zeit einen Essai geschrieben „Über das Problem mit seinem Problem über sein Problem zu reden“: https://isa09.wordpress.com/2008/05/19/essai-17-uber-das-problem-mit-seinem-problem-uber-sein-problem-zu-reden/

      Mittlerweile denke ich, da muss sich nicht mal Verliebtheit in eine freundschaftliche Beziehung hineinmischen, damit es zu solch einer verfahrenen Situation kommen kann. Es genügt, wenn einer einen chronischen Helferkomplex hat und der andere sich in die Opferrolle fügt, dann geht der Teufelskreis los. Und wenn man da einmal drin ist, kann das vermeintliche Opfer sich den Mund fusselig reden und immer wieder betonen „Lass mich doch einfach mal machen, ich krieg das schon hin, das ist nicht dein Problem, ich kümmer mich drum“, der Helferkomplexierte wird ihn nicht in Ruhe lassen, weil er für sein Selbstverständnis und sein Identitätskonstrukt den anderen braucht, weil er sich sonst unnütz fühlt, keinen Sinn im Leben sieht oder ich weiß nicht was. Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, sich in einer Freundschaft mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, das gehört sogar unbedingt dazu. Aber es sollte ein wechselseitiges Geben und Nehmen sein, das sich ganz natürlich von allein ergibt. Wenn beide in einer bestimmten Rolle feststecken, die ein solches Machtgefälle und eine Schieflage in der Dominanz-Verteilung ergeben, wie zwischen Helfendem/Hilflosem, stimmt etwas nicht.

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