Essai 153: Über das (Aus)lösen von Problemen durch Reden

Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass sich sämtliche Probleme durch Reden lösen ließen. Für konkrete Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten unter zivilisierten Menschen, die der sachlichen Diskussion aufgeschlossen gegenüber stehen und willens sind, ihre eigene Meinung der kritischen Selbstreflexion zu unterziehen, mag das ja stimmen. Bei allem anderen führt Reden meistens von einem Missverständnis zum nächsten, bis einer heult (das bin dann in der Regel ich). Und oft erschafft man da erst ein Problem, wo vorher keins war. Das nervt.

Erschwerend kommt hinzu, dass ich manchmal selbst nicht so genau weiß, ob es ein Problem gibt und worin dieses Problem bestehen könnte, wenn ich mal einen kleinen Pups quer sitzen habe. Meistens ist das ja nur eine diffuse Mischung aus PMS-Hormongeschwurbel, doofem Graunieselkaltpisswetter, schlechtem oder zu wenig Schlaf, Zwicken und Zwacken hier und da, Heuschnupfen oder anderen Wohlstandswehwehchen, die eigentlich nicht wirklich schlimm sind, aber einem trotzdem die Laune trüben können. Da macht man sich ja vollkommen lächerlich, wenn man diese vielen Kleinigkeiten ausdiskutiert und zerredet, obwohl sie am nächsten Tag von alleine weggegangen wären, ohne dass man darüber nachdenken hätte müssen.

Wenn man allerdings doch über seinen unerklärlich miesepetrigen Ausnahmegemütszustand redet, dann denkt man ja auch drüber nach, woran die Übellaune liegen könnte, das kann ja nicht so eine Kleinigkeit sein, das ist ja kein richtiger Grund, und ohne richtigen Grund darf man keine schlechte Laune haben. Dann sucht man also nach einer richtig coolen Ursache, und weil es keine gibt, findet man auch keine. Und es bleibt nur noch die Schlussfolgerung, dass man eine hysterische dumme Pute und nicht ganz dicht ist. Schwupps, schon hat man ein Problem geschaffen, wo vorher nur ein Minipups ein bisschen schief saß. Und man hat noch eine große Portion Schuldgefühle dazu gewonnen, weil man die netten, hilfsbereiten Menschen, die es nur gut mit einem meinen (das ist kein Sarkasmus, sie meinen es ja wirklich von Herzen gut), die Zeit mit irgendwelchen Lächerlichkeiten stiehlt, und sich dann noch nicht einmal wirklich helfen lässt.

Ich habe früher auch gedacht, man müsste ständig über alles reden und jede Kleinigkeit auseinanderanalysieren, jedes noch so kleine Gefühl theoretisieren. Auch ich habe Leute genervt, die einfach doofe Laune hatten und sich einfach mal auskotzen wollten, indem ich versucht habe, irgendein Problem zu finden, das sich lösen lässt. Dabei wäre die Problemlösung in diesem Fall einfach nur, zuzuhören, vielleicht ab und zu ein verständnisvolles „Ach Mensch, wie doof“ oder „Och, wie ärgerlich“ einzuwerfen und bei Gelegenheit freundlich das Thema zu wechseln. Manchmal will man auch einfach nur mal in den Arm genommen werden und hören, dass alles OK ist.

Ganz blöd ist es, wenn ich zum Beispiel wegen einer Sache geknickt, ein bisschen traurig oder etwas beleidigt bin, vom Verstand her aber ganz genau weiß, dass ich dazu keinen Grund habe. Zum Beispiel: Ich schnarche. Laut. Mein Freund verdrückt sich dann manchmal mitten in der Nacht aufs Sofa, weil er dort besser wieder einschlafen kann. Ist also überhaupt nicht böse gemeint. Und trotzdem fühle ich mich dadurch vor den Kopf gestoßen und bin mega eingeschnappt. Das ergibt rational betrachtet nicht den geringsten Sinn und ist einfach nur völlig bescheuert. Aber trotzdem ist es so wie es ist und ich bin grundlos gekränkt. Wir haben dann drüber geredet, aber eine Lösung fürs Problem haben wir nicht gefunden – weil es eben einfach keine gibt. Immerhin ging es mir aber zugegebenermaßen hinterher ein wenig besser, weil mir durch das Reden die ganze Situation so idiotisch absurd vorkam, dass ich danach akzeptieren konnte, dass es eben manchmal keine Lösung gibt, und dass das aber auch nicht schlimm ist.

Das muss man wohl in solchen Situationen mit Humor nehmen und sich eine Art heitere Gelassenheit gegenüber Nicht-Problemen-ohne-Lösung angewöhnen. Tatsächlich kann Reden da unter Umständen etwas bringen, weil man dann nicht so in sich hineingrummelt, sondern die Absurdität besser sehen kann, wenn man seine Gedanken laut ausspricht.

Ich weiß auch nicht genau, wie man das erkennt, wann Reden angebracht ist, und wann es mehr schadet als nützt. Vielleicht kann man das ja so ausprobieren, dass man erst einmal nur zuhört und versucht, herauszuhören, ob der andere sich nur Luft machen möchte, nach Ablenkung sucht oder tatsächlich meine Meinung hören will.

Ich merke gerade, das war wieder einer dieser Essais, in denen ich mir selbst widerspreche und die nicht sonderlich logisch aufgebaut sind. Aber jetzt habe ich es selbst zugegeben, dann kann es mir keiner mehr vorwerfen, Ätsch! 😛 Trotzdem bin ich auf eure Meinungen und Erfahrungen gespannt, die ihr gern in die Kommentare tippen dürft.

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4 Antworten to “Essai 153: Über das (Aus)lösen von Problemen durch Reden”

  1. RETUELF Says:

    Da du dir selbst widersprochen hast, solltest du vielleicht mit dir darüber sprechen, ob es ein Problem gibt 😉

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  2. Frank Says:

    Kein Thema. Kannst mit mir immer reden. Allerdings habe ich auch immer recht, was manchmal ziemlich lästig ist. Ernsthaft… Dein Problem hat wohl jeder, wenn Emotionales und Ratio kollidieren 😀 Genieß es, es macht dich spüren, dass du lebst. Und zwar nicht irgendwie, sondern richtig.

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    • Isabelle Dupuis Says:

      😀 Das beruhigt mich 🙂 Da hast du wohl recht, es ist wahrscheinlich einfach menschlich, dass man aus sich selbst nicht immer schlau wird. Ich frag mich dann immer, wie machen das andere, die so sicher und von sich selbst überzeugt wirken? Zweifeln die denn nie an sich oder irgendwas?

      Hehe, aber das mit dem immer-recht-haben kenne ich, das kann tatsächlich ziemlich lästig werden, insbesondere, wenn das Gegenüber partout nicht einsehen will, dass es falsch liegt. 😛

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